Homo faber, der Ingenieur. In der Belletristik finden wir die Leitfigur des 20. Jahrhunderts relativ selten. Wolfgang Hermann Körner, der selbst Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule Berlin studiert hat, widmet ihm ein mehrbändiges Projekt: "Der Ingenieur. Geschichte eines Träumers." Nur scheinbar ist dieser Titel ein Paradoxon. Die Psychoanalyse hat uns ja gelehrt, dass jedermann in verwirrende Widersprüche verwickelt ist und dass auch die inoffiziellen, irrationalen Seiten des menschlichen Daseins zur Wirklichkeit gezählt werden müssen. Der Autor: "Ich bin der Träumer und der Ingenieur."
Im Außenleben, offiziell, arbeitet David, der Protagonist, im Brückenbau, beschäftigt sich mit rationalen Dingen wie Spannweite, Trägersystem, Bauhöhe, Stützung, Lagerung etc. - und kennt natürlich (als Gutachter verschiedenster Objekte ist er auch im Ausland unterwegs) die fragwürdige ethische Struktur der technischen Welt, unserer Welt, sehr genau.
Zur Sprache gelangt jedoch nur das Innenleben des Ingenieurs, das ein wilder Komplex von Zweifeln, Gewissensnöten, Ängsten, Phobien, Wünschen, Visionen und sexuellen Phantasien ist. Die "Träume" (nach den "ägyptischen", den "deutschen" und "französischen" nun die "griechischen") notierend und uns von innen heraus seine Geschichte erzählend, stellt er voller Sarkasmus fest: "Die Welt ist böse, damit sie in meine Träume eingehen kann."
In der Nacht lösten sich die Dächer von den Gebäuden und schwebten lautlos davon. Am folgenden Morgen krochen wir an den Wänden hoch und über die Mauerkronen hinweg und verließen die Labyrinthe (denn als solche waren die Zellen konzipiert). Was nicht im Meer versank, geriet in Vergessenheit; was der Sand nicht zugeweht hat, wurde nicht mehr gebraucht. Was hat mir der unsichtbare Freund in der kleinen Bibliothek zugeraunt? "Aus dem Stamm einer Zypresse habe ich mir einen Computer geschnitzt, und das Auto, das ich fahre, ist aus Marmor gefertigt." Die große Umwandlung der Welt hat begonnen.
Wolfgang Hermann Körner
Die griechischen Träume
Kurzprosa
125 Seiten, Leineneinband
mit Schutzumschlag und Stofflesezeichen
éditions trèves
ISBN 978-3-88081-327-4